Piton de la Fournaise

Heute fahre ich in den Südosten der Insel zum Piton de la Fournaise, was man mit „Spitze des Ofens“ übersetzen kann. Das ist der einzige noch aktive Vulkan auf der Insel und zugleich auch einer der aktivsten Vulkane der Welt. Fast jedes Jahr gibt es Eruptionen. Im Jahr 2019 waren es sogar gleich fünf Ausbrüche. Die Eruptionen sind aber meist ungefährlich, da es sich nicht um gewaltige Explosionen mit Ascheregen handelt, sondern lediglich um vielleicht 30 Meter hohe Lavafontänen und Lavafluss, ähnlich den Vulkanen auf Hawaii. Die Lava fließt dann jedoch teilweise auch die knapp 10 km bis zum Meer am östlichen Hang hinunter. Der Vulkan wird sehr gut überwacht, sodass man schon im Vorwege weiß, wenn sich wieder etwas anbahnt. Die letzte Eruption war im Juli 2023, also vor mehr als einem Jahr. Eigentlich ist eine weitere Eruption somit schon überfällig. Ich hätte so etwas ja schon damals auf Hawaii gerne live gesehen, aber ganz bestimmt wird es auch heute keine Lava zu sehen geben. Wie schon am Anfang erwähnt, ist es mit 2632 Metern jedoch nicht der höchste Vulkan der Insel. Für einen Vulkan gehört er mit einem Alter von nur 360000 Jahren zu den jüngeren seiner Art. Am Fuße hat er ungefähr 50 km Durchmesser.
Nach den Erfahrungen der letzten Tage bin ich deutlich früher aufgebrochen und am Himmel sieht es am frühen Vormittag auch ziemlich gut aus. Ich hoffe, dass das möglichst lange so bleibt.

Ein sagenhaftes Panorama gibt es unterwegs zu sehen. Ich finde diese komplett grün bewachsenen zerklüfteten Felsen immer wieder beeindruckend.

Ein paar Kilometer weiter sind die Lavafelsen dann weitaus weniger bewachsen. Wie man sieht, ist man hier in etwas mehr als 2200 Meter Höhe auch schon über den Wolken.

Ein paar Kilometer vor dem Erreichen des Parkplatzes verändert sich die Landschaft erneut. Außerdem endet auch die asphaltierte Straße und es wird etwas holprig. Durch die Zwischenstopps ist es nun doch schon wieder circa 10:30 Uhr, aber von zunehmender Bewölkung ist zum Glück noch keine Spur. Leider ist 750 Meter vor dem Ziel bereits alles zugeparkt und es geht weder vor noch zurück. Ich wende und fahre zurück bis zur nächstmöglichen Parkmöglichkeit, was sich später noch als Fehler herausstellen wird. Um den Fußweg abzukürzen, folge ich nicht der Straße, sondern gehen querfeldein zur Aussichtsplattform. Dort angekommen merke ich, dass ich, um weiter vorne einen Parkplatz zu bekommen, nur etwas hätte warten müssen, bis sich der „Stau“ aufgelöst hat.

Man kann in einer mehrstündigen Wanderung bis zum Kraterrand auf den Vulkan wandern. Dazu muss man zunächst erst einmal über schier endlose Treppen hinabsteigen. Die erschöpften Gesichter der atemlosen Leute, die bereits auf dem Rückweg nach oben sind, lassen bei mir kurz Zweifel aufkommen, ob ich wirklich dort hinuntergehen will. Die Minimenschen auf dem Formica Leo machen zusätzlich deutlich, dass es doch noch ein ganzes Stück bis unten ist. Ich bin noch unentschlossen, ob ich bis zum Kraterrand gehen werden, aber bis zum Formica Leo gehe ich auf jeden Fall. Er hat seinen Namen bekommen, weil er an den Fangtrichter eines Ameisenlöwen erinnert. Es ist jedoch nicht ein mutierter Ameisenlöwe verantwortlich für diesen Trichter mit circa 100 Meter Durchmesser, sondern der Kegel entstand bei einem Ausbruch im Jahr 1753. Mit seiner leicht rötlichen, feinkörnigen Schlacke hebt er sich deutlich vom Grund der Caldera ab.

Der Abstieg bis zum Formica Leo hat 1/4 Stunde gedauert und unten angekommen habe ich die Gedanken an den Rückweg verdrängt und das schöne Wetter motiviert mich weiterzugehen. Der Weg ist durch weiße Punkte am Boden markiert. Auch wenn es auf dem Bild wie eine ebene Fläche aussieht, so ist es doch anspruchsvoller als gedacht über die zerklüftete Lavafläche zu laufen, da man bei jedem Schritt schauen muss, wo man hintritt. Zum Glück ist es hier oben nicht zu heiß, um in dieser Fläche ohne jeglichen Schatten zu laufen. Wie man auf einem Bild oben sieht, gibt es auch einige schwarze Bereiche aus „frischerer“ Lava, die nochmal wieder anders zum Laufen sind. Bei der Besteigung des Kegels kommen mir gegen 12:30 Uhr schon sehr viele Leute entgegen. Die meiste Zeit hat man aber fast das Gefühl, allein unterwegs zu sein.

Am Anfang hat man ja noch das Gefühl, man würde auf direktem Weg zum Kraterrand gehen. Dann läuft man aber zeitweise wieder auf gleicher Höhe weiter und teilweise sogar wieder etwas abwärts. Es scheint kein Ende zu nehmen. Immer wieder denke ich, wenn ich ein paar Leute am vermeintlichen Kraterrand sehe, dass ich nur bis dort laufen muss. Dort angekommen sehe ich dann aber wieder weit hinten Leute laufen. Hilfreich wäre es ab und an mal ein kleines Schild zu sehen „noch … Meter“. Irgendwann entscheide ich mich abseits des Pfades auf direktem Weg nach oben zum Kraterrand zu gehen, auch wenn man den Pfad aus Sicherheitsgründen eigentlich nicht verlassen soll. Schon nach wenigen Minuten bin ich in einem Bereich, den man vom Pfad nicht mehr einsehen kann. Wenn ich hier jetzt in der Lava einbreche, oder mir den Fuß verdrehe, dann wär das ziemlich blöd. Ganz an den Rand traue ich mich nicht, da das doch alles recht bröckelig aussieht, aber einen Blick in den derzeit schlafenden Krater habe ich auf jeden Fall. Kaum vorstellbar, dass sich das graue Geröll dann plötzlich öffnet und rot glühende Lava ausgespuckt wird.

Mittlerweile ist es 13:30 Uhr und da gerade ein Wolkenband in die Caldera hineinzieht, befürchte ich, dass ich auf dem langen Rückweg von Kälte oder sogar Regen überrascht werden könnte. Das würde nur im T-Shirt und mit kurzer Hose unangenehm werden. Da man auch bergab nicht viel schneller vorankommt, wird es circa 2 Stunden dauern, bis ich wieder an der Treppe nach oben angekommen bin, also mache ich mich auf den Rückweg. Zum Glück hat sich das Wolkenband dann jedoch wieder aufgelöst. Im Licht der Nachmittagsonne ist der Blick in die Caldera noch schöner als heute Morgen und auf dem Panoramabild sieht man noch einmal gut die Dimensionen.

Ich mache mich auf den Weg zu meinem Auto. Diesmal gehe ich die Straße entlang und da schon fast alle Autos weg sind, sieht nun alles ganz anders aus. Nach einer ganzen Weile ist immer noch nichts von meinem Auto zu sehen, und ich bin mir sicher nicht noch weiter entfernt geparkt zu haben. Ich muss wohl zurück zum Parkplatz, um den scheinbaren Verlust der Gendarmerie zu melden. Da ich schon ziemlich geschafft bin, versuche ich bei einem Tankwagen, der in die Richtung fährt mitzufahren. Wegen seiner Ladung darf er aber wohl niemanden im Fahrerhaus mitnehmen. Er hat aber Mitleid mit mir und ich kann zum Glück außen an der Fahrertür auf dem Trittbrett stehend mitfahren. Der Gendarmerie, die gerade Feierabend macht, schildere ich dann meine Situation und frage, ob es hier gelegentlich vorkommt, dass Autos gestohlen werden. Als sie das verneinen, bitte ich sie, mich mitzunehmen. Glücklicherweise taucht dann nach einer Weile doch mein Auto total eingestaubt am Straßenrand auf. Wäre ich heute Morgen vom Auto aus nicht querfeldein gegangen, dann wäre das vermutlich nicht so gekommen, so hätte ich aber schwören können, dass ich niemals sooo weit weg geparkt habe.
Bis auf den Schreckmoment am Ende war das ein schöner, aber auch anstrengender Tag, an dem das erste Mal das Wetter zu 100 % mitgespielt hat. Auf dem Rückweg gibt es noch ein paar schöne Aussichten.

Als ich in Boucan Canot ankomme, ist die Sonne bereits untergegangen. Da es noch nicht ganz dunkel ist, nehme ich innerhalb des Hainetzes noch ein erfrischendes Bad im Meer.